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Dezember 30, 2024

Rauhnachts-Märchen Teil 10: „Weltenplan – Die Kräfte schwinden“

"Dunkelheit umschließt den Raum.

Gehst nun Heim zum Ahnenbaum.
Steigst hinab in Deinem Traum.
In den Erdenbauch.“

Die sonore, sanfte Stimme der großen Mutter hüllte die gesamte Höhle tief im Erdenbauch in eine warm, vibrierende Energie. Wie in einer Trance wiegte die große Mutter ihren Körper vor und zurück, das neugeborene Lichtbaby eng in ihren Armen haltend. Es schlief, tief und fest.

Das Kind war erst neun Nächte alte, doch im Gesicht spiegelte sich die Weisheit eines ganzes Lebens wider. Als hätte das kleine Wesen in ihren Armen bereits ein ganzes Leben durchlebt und genau so war es auch. 

Der Lichtkönig hat in den letzten Nächten sein gesamtes Leben geträumt. Hatte erlebt, wie es sich anfühlt zu wachsen, Lebenslust zu spüren, er hatte das Feuer der Liebe entdeckt, den Ehrgeiz und den Fall nach dem Aufstieg erlebt. Er hatte erlebt, wie es sich anfühlte dankbar zu sein und Weisheit zu erlangen und nun war noch eine letzte Reise zu tun. 

Nun war noch eine letzte Lektion zu lernen. 

Die große Mutter wusste, was dem kleinen Lichtbaby bevor stand. Sie wusste welche Lehrmeisterinnen noch auf ihn warten und sie wusste, dass sie ihm genau die richtigen Fragen stellen würden, die er brauchte, um seine Aufgabe im Wachzustand gut zu erfüllen.

So sang sie und sang immer weiter das Lied der Dunkelheit, um ihren Sprössling die Unterstützung zu geben, die er brauchte, als er nun begann seinen zehnten Traum zu träumen.


Der alte Lichtkönig erwachte, nachdem ihm etwas Sanftes auf die Nase purzelte

Langsam öffnete er seine Augen und blinzelte in die Welt. Die großen, weisen Buchen wiegten sich im Wind und ein schummriges Licht hüllte den gesamten Wald in eine zauberhafte Stimmung ein.

Was war das denn, was da auf seine Nase fiel?“, wunderte sich der König.

Er nahm das papierartige Etwas in seine Hände und stellte mit Erstaunen fest, dass es ein Blatt der großen Buche war, an die er sich angelehnt hatte. Das Blatt war jedoch nicht saftig grün, so wie er es kannte. Es war ganz und gar gelblich-orange und an den Enden sogar schon etwas bräunlich. Seine Strahlkraft hatte es ganz und gar verloren und wirkte leblos, trocken und spröde. 

Was passiert hier? Sind die Buchen etwa krank?“

Wir sind nicht unwohl, wir sind nicht krank.“

Alles nimmt seinen natürlichen Gang.“

Flüsterten die Buchen im Wind und der alte König erinnerte sich nun an seinen letzten Traum.

Er erinnerte sich an die alten Buchen, die davon erzählten, dass nichts für die Ewigkeit bliebe. Und er erinnerte sich an die Hirschkuh Hexe Scheiding, die ihm den Weg zurück in die Dunkelheit gewiesen hatte, zurück zum müttlerlichen Eibenbaum aus dem er in die Welt gekrabbelt war. 

Was war das nur für eine eigenartige Wendung“, dachte der König bei sich. „Vor nicht all zu langer Zeit bestieg ich noch Berge und erhellte die ganze Welt, beglückte alle Menschen und Tiere. Da brannte mein Herz voll der Liebe und Leidenschaft und nun? Nun liege ich hier. Meine Knochen schwer. Langsam bin ich geworden. Die Kräfte verlassen mich und scheinen nicht wieder zu kommen. Welche Lektion will mir dies Leben bloß bringen?“

Und so richtete sich der Lichtkönig auf, schwerfällig und müde, doch er hatte noch einen Weg zu gehen.

Vielleicht“, so dachte der Lichkönig würde er die Antworten beim alten, mütterlichen Eibenbaum finden. Bisher haben die Hexen in seinem Leben ihn gut beraten. Er wollte auch dem Rat der Hexe Scheiding folgen und setzte sich langsam in Bewegung, hindurch durch den immer dichter werdenden Buchenwald. 


Ein frischer Westwind fegte durch die Buchen

Der Lichtkönig schaute nach oben und kam aus dem Staunen nicht mehr he raus. All die Buchen hatten ein gelbes, organg-leuchtendes Blätterdach. Fast kein Grün war in ihren Blättern mehr zu sehen. Obschon es den König etwas melancholisch stimmte, dass das einstig saftige Grün vergangen war, so hatten die leuchtenden Farben doch eine sanftmütige Wirkung auf ihn. Sie strahlten eine Seelenruhe aus. 

Während der König so durch die Wälder strich, reflektierte er immer weiter sein Leben. Er sinnierte darüber, wie sich alles für ihn gewendet hat, welche Abenteuer er erlebt hatte und fühlte wieder das schönste Gefühl von allen, welches er in seinem Leben kennengelernt hatte – die Dankbarkeit. 

Es fühlte sich an, als würden die Fensterläden seines Herzens weit geöffnet und so viel es ihm immer leichter zu akzeptieren, dass die einstige Fülle sich nun wandelte und die Früchte des Sommers scheinbar der Vergänglichkeit anheim fielen.

Als er durch den Buchenwald schritt und die herabfallenden orange-braunen Blätter beobachtete, kam ihm eine Erkenntnis: „Erst jetzt, wo ich selbst sehe und erlebe, dass alles vergänglich ist, kann ich die Geschenke meines Lebens wirklich sehen und wertschätzen.“

Mit einem sanften Lächelte wanderte er weiter, bis er irgendwann den Buchenwald hinter sich gelassen hatte.


Es begann nun ein Mischwald, der nicht segr dicht bewachsen war

Hier und da gab es auch einige Sumpfgebiete. Der Wind fegte etwas kühler über die Wiesen und Lichtungen des Waldes. 

Da raschelte es unmittelbar vor ihm und der Haufen der heruntergefallenen Blätter vor seinen Füßen begann sich zu bewegen.

Was war das?“

Eine lange, befellte, spitze Nase schaute plötzlich aus dem Laubhaufen heraus und wackelte im Wind. An der Nase hing ein sonderbares kleines Wesen. Schwarz-weiß gestreift war sein Gesichtchen und es war eifrig dabei hin und her zu rennen, mit seiner feuchten Nase an jeder Ecke zu schnüffeln, als würde es etwas suchen. 

He“, rief der alte König. „Wer bist Du denn und was suchst Du da?“

Ruckartig blickte sich das Wesen um.

Ach, da bist Du ja schon. Ich habe Dich schon erwartet. Hab nur mal eben meine Nase aus dem Bau gehalten und zu erschnüffeln, wo Du bleibst.“

Du kannst mich erschnüffeln?“, fragte der Lichtkönig irritiert. 

Absolut. Meine Nase sind meine Augen. Ich sehe Dich ja kaum. Komm doch mal etwas näher. Aber schnüffeln kann ich wie keine Zweite.“

Der Lichtkönig ging weiter an das Wesen heran. Es war viel kleiner als die Wolfsfrau, aber größer als der Hoppelhase.

Was bist Du für ein Wesen.“, fragte der König. „So etwas wie Dich habe noch nie gesehen.“

Mein alter Lichtkönig bin die Hexe Gilbhart und ich erscheine Dir in der Form einer Dachsfrau. Ich symbolisiere den 10ten Monat Deines Lebens, den Gilbhart oder auch den Oktober genannt. Momentan bin ich viel beschäftigt und fresse mir eine dicke Fettschicht an. Kein Regenwurm, kein Mäuschen ist vor mir sicher. Aber das ist notwendig, denn ich bereite mich gut auf meine Reise hinab in die Dunkelheit vor.“

Der Lichtkönig horchte auf.

„Du gehst in die Dunkelheit. Die Hirschkuh sprach auch davon, dass ich zurück in die Dunkelheit gehen solle. Weißt Du mehr darüber? Was soll ich dort in der Dunkelheit denn tun? Alles was ich will, ist meine alten Kräfte zurück erlangen, um Mensch und Tier wieder Wärme und Fülle zu bringen.“

Die Dachsfrau hörte plötzlich auf, sich zu bewegen und mit der Nase zu wackeln und an jeder Ecke zu schnüffeln. Sie schaute den Lichtkönig mit ihren kleinen, schwarzen Knopfäuglein an und sprach plötzlich ganz sanft und ruhig. 

Mein lieber Lichtkönig. Du hast mittlerweile eine weite Reise hinter Dir und dadurch eine große Weisheit erlangt. Das kann ich riechen. So höre nun auf meine Worte. Du wirst Deine alten Kräfte nicht wieder erlangen. Du wirst auch den hohen Berg nicht mehr erklimmen. Diese Zeiten sind vorbei. Denn für Dich ist nun Deine letzte Reise in Deinem Leben angebrochen. So wie ich in meinen dunklen Bau tief in die Erde krabbeln werde, so wirst auch Du wieder hinabsteigen in den Erdenbauch hinein. Es ist der Lauf der Dinge.“

Der alte Lichtkönig atmete lang und tief und merkte, wie sich ein trauriger Schleier über sein Herz legte. 

Nie wieder soll er wie in alter Kraft, den Berg erklimmen?“

Weißt Du was das Leben erst lebenswert macht?“, fragte die Dachsfrau Hexe Gilbhart den Lichtkönig und ohne eine Antwort abzuwarten antwortete sie:

Das Sterben.“ Eine Totenstille umhüllte plötzlich den Wald. 

Dein Weg führt Dich nun ins Sterben. Es wird Deine letzte Lektion sein. Es ist das große Loslassen. Vielleicht hattest Du noch große Träume, Vorhaben, Erwartungen an das Leben, ja. Das mag sein. Aber es liegt nicht in Deiner Hand mein lieber, alter Lichtkönig.

DU bist nicht derjenige, der das Weltenrad lenkt. Und das ist Deine letzte, große Lektion. Du stehst hier im Dienst und das ganz Große schaltet und waltet. Wir alle hier, ein jedes Lebewesen wird irgendwann ins Sterben gehen. Wir alle unterliegen dem großen Weltenplan. Und das ist gut so. Denn erst wenn wir sterben und in die Erde zurückgehen, kann aus uns neues Leben wachsen.“

Der König hatte sich mittlerweile auf den feuchten Laubboden des Waldes gesetzt und hörte schweigend zu. Obwohl sein Herz schwer war, umhüllte ihn eine warme Akzeptanz. Etwas in ihm wusste genau, dass die Dachsfrau Hexe Gilbhart recht hatte. Und etwas in ihm war auch erleichtert, dass sie es aussprach. Denn wenn er ehrlich zu sich war, hatte er in der Tiefe seinen Herzens keinen sehnlicheren Wunsch, als sich endlich zur Ruhe zu legen. 

Alter Lichtkönig ich gebe Dir 3 Fragen mit für Deine letzte Reise: 

Wenn Du noch einen Tag zu leben hättest, mit welchem Menschen würdest Du noch Frieden schließen?

Wenn Du noch einen Tag zu leben hättest, welchen letzten Satz hättest Du für die Welt?

Wenn Du noch einen Tag zu leben hättest, wo und mit wem würdest Du diesen verbringen?“


Hexe Gilbhart machte eine lange Pause

Keiner sprach ein Wort und man konnte nur das leichte Rascheln der Blätter im Wind wahrnehmen. Im alten Lichtkönig ist es ganz still geworden, er lehnte an einem Baumstamm und beobachtete ein Blatt, welches langsam auf den Boden fiel, um zu sterben und dort wieder zu Erde zu werden, um neues Leben zu schenken. 

So ist dies also meine letzte Reise.“

Er dachte daran, dass sein letzter Tag, seine letzte Nacht bevorstand und interessanterweise fühlte er sich in diesem Moment lebendiger als je zuvor. Da war keine Erwartung mehr ans Leben, kein Sehnen mehr danach etwas erreichen zu müssen, etwas schaffen zu müssen. Da war nur eine wundersame Ruhe und das Ankommen im Hier und jetzt. Mit einem Lächeln auf den Lippen schloss er langsam die Augen und glitt hinüber in einen traumlosen Schlaf.


Kleines Ritual zur zehnten Rauhnacht:

Entzünde nun insgesamt zehn Kerzen auf Deinem Lichterteller.

Das Licht hat mittlerweile den gesamten Raum eingenommen. So schau auch auf Dein gesamten Leben. Welche Umstände und Fügungen, haben Dich an den Punkt gebracht, an dem Du jetzt bist.

Welche Weisheit hast Du erlangt, die Du mit ins nächste Jahr mitnehmen möchtest?


Verbinde Dich beim Entzünden der Kerzen innerlich mit der Energie der Dachsfrau und mit der Weisheit in Dir.


Setze Dich an Deine Kerzen und meditiere über folgende Fragen: 

Wenn Du noch einen Tag zu leben hättest, mit welchem Menschen würdest Du noch Frieden schließen?

Wenn Du noch einen Tag zu leben hättest, welchen letzten Satz hättest Du für die Welt?

Wenn Du noch einen Tag zu leben hättest, wo und mit wem würdest Du diesen verbringen?


Schreibe Dir Deine Erkenntnisse auf.



Germaid Charlotte

Gründerin von New Women New Earth, Coach, Sängerin, Medicine Woman.

Germaid unterstützt Dich darin, Deine Beziehungen zu heilen, damit Du mit Freude und Kraft Deiner Weiblichkeit Ausdruck verleihen kannst.


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  • Schade, das Märchen mit dem Lichtkönig ist sooo schön, tausend Dank dafür, höre ich jeden Tag, manchmal mehrmals, oder am nächsten Tag noch einmal…. so schön!!!
    veröffentlichst du das als Buch, oder Hörbuch, für meine Enkelinnen:
    8 J. Emma und 9 J. Amelie, das wäre zauberhaft zum Nachhören?

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