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Dezember 29, 2024

Rauhnachts-Märchen Teil 9: „Weisheit – Auf dem Scheideweg“

Es ist ganz winterstill geworden im Erdenbauch

Kein Laut drang mehr von Außen in die tiefe, dunkle Höhe hinab, in der die große Mutter ihr neugeborenes Lichtbaby an ihrer Brust nährte. 

Es muss neuer Schnee gefallen sein, der jeden Klang, jedes Geräusch verschluckt“, dachte die große Mutter bei sich und fühlte sich sicher und geborgen. Zugedeckt von dunkler Erde und wohl behütet von der uralten Eibenfrau und ihrer Eibenfamilie an der Erdoberfläche. 

Der junge Lichtkönig nuckelte im Schlaf leicht an ihrer Brust. Die Anstrengung stand ihm noch etwas ins Gesicht geschrieben, aber er schien schon wesentlich ruhiger. Noch zuckte sein kleines Beinchen hier und da, aber das heftige Strampen der letzten Nächte hatte sich beruhigt.

Es war nun eine andere Zeit für ihn angebrochen. In seinem Traum war er nun kein junger Lichtkönig mehr. Die Lebenszeit, die vor ihm lag, war nun kürzer, als das Leben was er bereits im Traum gelebt hat. Nur war dem Lichtkönig das noch nicht ganz bewusst. Bald würde er es erfahren, dachte die große Mutter bei sich und drückte ihren kleinen Spross noch etwas fester an ihr liebendes Mutterherz.


Und so begann der kleine Lichtkönig seinen neunten Traum zu träumen

Langsam und mit einem wohligen Gefühl im Herzen wachte der ältere Lichtkönig auf. Er schlug seine Augen auf und musste sofort lächeln. Die goldenen Stoppelfelder vor ihm erwärmten sein Herz und der kühle Westwind strich ihm über die Wangen.

Es fühlte sich so gut an, das eigene Tagwerk zu betrachten, denn er wusste, dass in diesem Moment so viele Menschen die Scheunen gefüllt hatten mit Korn und Heu. Er wusste das all die Tiere sich noch lange satt essen konnten und viele sich im Erdenbauch eine Vorratskammer angelegt hatten. Ihm gefiel sehr, was er sah und er spürte die Flamme der Weisheit weiter in ihm wachsen.

Langsam erhob sich der König und begann seine Wanderung weiter hinunter ins Tal. Er würde sich noch ein wenig ausruhen, dachte er bei sich und dann ganz bald würden seine einstigen, jugendlichen Kräfte bestimmt schon zurück kommen, sodass er seinen Aufstieg wieder erneut beginnen konnte. Denn er fühlte sich ja jetzt schon sehr viel besser. Auch wenn hier und da die Knochen etwas schmerzten. Das kannte er gar nicht, aber das würde wahrscheinlich schon bald vergehen. 

Er wanderte an einigen Siedlungen vorbei, überquerte plätschernde Bäche und Seen. Tier und Mensch erfreuten sich an dem Wasser und sprangen voll Wonne hinein. Es waren warme, goldene Tage.

Doch Mensch und Tier verbrachten nicht mehr so lange Zeit draußen, wie noch vor einiger Zeit. Denn in dieser Zeit wurde es schon etwas früher Abend und Winde wehten über das Land. Das war die Zeit in der die Menschen sich in ihre Häuser zurück zogen und sich die Tiere in ihren Höhlen und Baumritzen verkrochen. 

Sie werden bald wieder den ganzen Tag tanzen und feiern“, dachte der Lichtkönig bei sich. „Bald schon, bald werde ich meinen Weg auf die Bergspitze wieder antreten.“


Schließlich kam der Lichtkönig an einen wunderschönen alten Wald

Ganz anders als sein heimatlicher Eibenwald. Dieser hier war mächtig mit großen Buchen, dicht bewachsen. Mit neugierigem Blick wagte er einen Schritt hinein. Es war eine sanfte, liebevolle Energie. Die Buchenfamilie sang sich gegenseitig Lieder vor. Die älteren Buchen säuselten ihren kleinen Sprösslingen liebevolle Lieder ins Blätterdach. Der Wind raschelte durch die Blätter und der Lichtkönig hörte die Buchen flüstern:

„Ohh, schaut mal her, wer kommt daher?“
Ist es den er?“
Er ist es ja. Wie in jedem Jahr.“
Schaut wie er leuchtet. Schaut wie er geht“
Sein Gang schon langsam. Es ist schon spät.“
Das ist ganz normal in dieser Zeit."
"Schaut, seine Augen, wie sie leuchten voll der Weisheit.“

Ich grüße euch werte Buchen. Es freut mich, dass ich Gast sein darf in eurem wunderschönen Wald.“

Der Lichtkönig blickte sich um. Er war mittlerweile umgeben von stolzen, prächtigen Bäumen. Doch da entdeckte er etwas Sonderbares. 

Was war das denn?“, dachte er bei sich und musste sich die Augen reiben und noch einmal genauer hinschauen. 

Einige junge Buchen hatten schöne, saftig grüne Blätter, doch einige von ihnen sahen gar nicht so saftig aus. Tatsächlich war ihr Grün sogar verblasst. Manche Blätter wurden an den Rändern ganz gelblich. Einige Blätter der etwas älteren Buchen waren sogar vollkommen gelblich geworden. 

Der Lichtkönig erschrack. „Haaa, werte Buchen. Was ist denn mit euren Blättern los? Sagt, ihr seid doch nicht etwa krank?“

Ein kühler Westwind streichelte die Kronen der Bäume.

Weiß er es noch nicht?“
Nein, wie soll er es wissen. Er traf die Hexe ja noch nicht.“
So dann, so dann. Weisen wir ihm den Weg voran.“

Was murmelt ihr Buchen. Wen soll ich treffen.“, der Lichtkönig blickte erstaunt empor. 

Werter König, es ist nun Zeit.“
Nichts bleibt für alle Ewigkeit.“
Wir sind nicht unwohl, wir sind nicht krank.“
Alles nimmt seinen natürlichen Gang.“
Gehe auch Du, Lichtkönig alt.“
Noch weiter und tiefer in unseren Wald.“

Mit diesen Worten kam eine kräftigere Windböe und schupste den Lichtkönig regelrecht tiefer in den Wald hinein.


Er wanderte weiter und wunderte sich etwas über die Buchen

Was meinten sie mit „Lichtkönig alt“ oder „Nichts bleibt für die Ewigkeit“?“,
Er war doch nicht alt. Er ruhte sich nur etwas aus. 

Immer weiter wanderte der Lichtkönig in den Buchenwald hinein. Plötzlich vernahm er einen sonderbaren klang. Laut und röhrend, wild und sonderbar. So etwas hatte er noch nie zuvor vernommen.

Da war es schon wieder. Er schritt vorsichtig etwas näher. Das röhrige Geräusch wurde immer lauter. Da plötzlich sprang ein Wesen aus dem Dickicht. Ganz flink und schnell sprang es an ihm vorbei, auf vier schlanken Beinen, mit einem drahtigen, muskulösen Körper und zwei kleinen Hörnern auf dem Kopf.

Es preschte erst an ihm vorbei und drehte dann und hüpfte wieder auf ihn zu. In einem gewissen Abstand blieb das Wesen stehen und schaute den Lichtkönig mit großen, neugierigen, braunen Augen an. 

Wer bist du?“, fragte der Lichtkönig vorsichtig, denn er nahm wahr, dass das Wesen etwas scheu zu sein schien. 

Etwas nervös tippelte es mit seinen Hufen.

Meinst Du etwa mich“, fragte es etwas schüchtern. 

Ja Dich. Du stehst ja direkt vor mir. Vielleicht stell ich mich Dir erstmal vor. Man nennt mich Lichtkönig und wer bist Du?“

Ach Du bist es.“, verschnaufte das Wesen etwas erleichtert. „Nagut, mit Dir rede ich. Das ist ja klar. Ich bin die Hexe Scheiding und ich erscheine Dir in Form einer Hirschkuh. Verzeih die Aufregung. Wir Hirsche sind in dieser Zeit des Jahres etwas außer Rand und Band. Dieses Röhren macht mich manchmal ganz schön kirre. Hihihi.“, kicherte die Hirschkuh.

Ja was ist das denn für ein Geräusch?" , wunderte sich der Lichtkönig.

Ja das sind die Herrschaften der Hirsch. Die hauen sich in dieser Zeit die Geweihe aneinander und machen einen mächtigen Affentanz. Das kann ich Dir sagen. Aber ich find es ja ganz lustig. Sie wollen uns Hirschkühen imponieren und brüllen den ganzen Wald zusammen. Hihihih.“

Die Hirschkuh tippelte etwas hin und her. Dann kam sie neugierig auf den Lichtkönig zu und schnupperte mit ihrer feinen, weichen Schnauze am Lichtkönig.

Ja, Du bist es tatsächlich. Und es ist Deine Zeit gekommen. So ist es wohl.“

Was meinst Du damit?“

Nun lieber Lichtkönig. Für alle Wesen des Waldes und der Wiesen kommt eine Zeit, in der sie zurückkehren, an den Ort, von dem sie gekommen sind. Wir Hirsche zum Beispiel, wir kommen jedes in dieser Zeit an diesen Ort zurück. Wir finden hier unsere Ehemänner und Ehefrauen. Wir verbinden uns hier, um eine neue Familie zu gründen. Die Zeit in die Welt hinaus zu gehen und neue Wiesen und Wälder zu entdecken, ist vorbei. Die Zeit ist gekommen nun wieder zum Ursprung zurück zu kehren.

Und für Dich mein lieber Lichtkönig gilt genau das Gleiche.“

Was meinst Du damit“, wunderte sich der Lichtkönig. 

Na wo kommst Du denn ursprünglich her?“, fragte die Hirschkuh.

Ich komme aus dem alten Eibenwald.“

Ja, und wo ganz genau?“

Hmm“, überlegte der Lichtkönig. „Das ist schon so lange her. So viel ist in der Zeit passiert. Ich weiß es gar nicht mehr.“

Ich werde Dir etwas auf die Sprünge helfen“, sagte die Hexe Scheiding. 

Du mein lieber Lichtkönig, wurdest aus dem Erdenbauch geboren und bist aus dem Stamm der uralten Muttereibe in die Welt gekrabbelt. Du bist aus der Dunkelheit gekommen und nun ist es Zeit für Dich zur Dunkelheit zurück zu kehren. Denn ich, mein werter Lichtkönig symbolisiere den neunten Monat Deines Lebens, den September oder auch Scheiding genannt. 

Denn genau dort stehst Du, auf einem Scheideweg. Du trennst Dich nun von deinem Leben in jugendlichem Glanz und Schönheit und wandersten hinein in das Älterwerden. Du wolltest doch die Weisheit nicht wahr? Ja, die kommt tatsächlich noch mehr, durch das Älterwerden. Nun ist es an der Zeit, dass Du den Lauf der Dinge verstehen lernst und Dich diesem hingibst.“

Mit offenem Mund und Herzem hörte der Lichtkönig der Hirschkuh Hexe Scheiding zu.

Ja, aber was genau soll ich denn da machen in meinem alten Eibenwald? Weißt eigentlich wollte ich ja nur etwas Kräfte sammeln und gleich wieder hoch hinaus auf den Berg, um den Menschen und Tieren Fülle zu bescheren.“

Hihihi“, kicherte die Hirschkuh. „Ach mein lieber Lichtkönig. Wie in jedem Jahr. Ich weiß, das Loslassen ist schwer. Aber dies ist der Lauf der Dinge. Nach jeder Reise, nach jedem Abenteuer, braucht es unbedingt das Heimkehren.

Nur törichte Könige reisen dauerhaft rum und schaffen und tun. Aber ihr Tun hat dann keinen Wert, wenn sie sich nicht die Zeit nehmen Heim zu kehren und zu ruhen und in der Dunkelheit neue Antworten zu finden. Und Hirsche würde es nicht geben, wenn wir nicht jedes Jahr hier an unseren Ursprung zurück kehren würden. 

Lass mich dir 3 Fragen für deine Heimreise mitgeben:

Passt Dein Tun noch mir Deiner ursprünglichen Seelenmission zusammen?

Hast Du Dich vielleicht verrannt und darfst Du Entscheidungen treffen, die Dich wieder auf den richtigen Weg bringen?

Welche Entscheidungen stehen an, die Dich voran bringen werden?

Gehabe Dich wohl mein lieber Lichtkönig. Es war mir eine große Ehre.“


Da brach erneut ein mächtiges Röhren aus dem Busch...

... und die Hirschkuh hüpfte kichernd davon und verschwand im Dickicht. 

Lange noch stand der Lichtkönig an diesem Ort und sinnierte über die Worte von Hexe Scheiding nach. Irgendwann lehnte er sich an eine ganz alte Buche und schloss die Augen.

Er wolle erst einmal über die ganze Sache schlafen, mit dem Heimkehren und Ruhen. Morgen würde wissen, was zu tun sei. Und so hüllte ihn ein traumloser Schlaf ein und ließ ihn erneut in die Dunkelheit gleiten. 



Kleines Ritual zur neunten Rauhnacht:

Entzünde nun insgesamt neun Kerzen auf Deinem Lichterteller.

Lasse das Licht auf auf Dein letztes Jahr scheinen und fühle in Dir, welche Weisheit Du in diesem Jahr erlangt hast. Welche Erkenntnisse hast Du gemacht und in welchen Prozessen bist Du gewachsen?


Verbinde Dich beim Entzünden der Kerzen innerlich mit der Weisheit in Dir.


Setze Dich an Deine Kerzen und meditiere über folgende Fragen: 

Passt Dein Tun noch mir Deiner ursprünglichen Seelenmission zusammen?

Hast Du Dich vielleicht verrannt und darfst Du Entscheidungen treffen, die Dich wieder auf den richtigen Weg bringen?

Welche Entscheidungen stehen an, die Dich voran bringen werden?


Schreibe Dir Deine Erkenntnisse auf.


Kleiner Tipp: Blättere noch einmal zurück zu den ersten Rauhnachtstagen und verbinde noch einmal mit Deiner Mission zu Beginn. 



Germaid Charlotte

Gründerin von New Women New Earth, Coach, Sängerin, Medicine Woman.

Germaid unterstützt Dich darin, Deine Beziehungen zu heilen, damit Du mit Freude und Kraft Deiner Weiblichkeit Ausdruck verleihen kannst.


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