Das kleine Gesichtchen lächelte in ihren Armen
Der Lichtkönig gähnte genüsslich und wackelte im Traum etwas mit den kleinen Zehen.
„Sind auch alle dran?“ Die große Mutter zählte lieber nochmal nach und vergewisserte sich, dass alle Zehen und Fingerchen ihres Sprösslings am richtigen Fleck waren. Sie schaute in sein Gesicht und wusste, welcher Hexe er nun als nächstes begegnen würde, welches Abenteuer in dieser Nacht auf ihn wartete. Vielleicht würde es sogar das Größte Abenteuer von allen. Auf jeden Fall, so wusste die große Mutter, würde der kleine Lichtkönig das nicht erwarten, was in dieser Nacht auf ihn zu kommen sollte.
Sie küsste seine wackelnden Zehen und beobachtete ihn beim Träumen
„Hoch, hoch hinaus.
Es treibt mich einfach raus.
Ich ziehe in die Welt.
Bis hoch zum Himmelszelt.“
Beschwingt und fröhlich tanzte der Lichtkönig durch den Eibenwald und verabschiedete sich von jeder Eibenfrau, jedem Eibenmann und jedem Eibenkind. Sie alle wiegten sich sanft im Wind, um ihn zu verabschieben. Bei jedem Schritt, den er tat, wurde alles um ihn herum heller und glanzvoller. Der Weg vor ihm offenbarte sich ihm, wie von selbst. Es war als würde überall, wo er seinen Fuß hintat, plötzlich das Licht angeknipst und ihm taten sich immer weitere Ecken des Waldes auf.
Aber der Lichtkönig hatte ein Ziel und das war der mächtige Berg, den er von der Krone des großen Eibenbaums aus gesehen hatte. So durchstreifte er das Dickicht, um endlich den Waldesrand zu finden und hinauf zu steigen, immer höher und weiter den Berg empor.
Da, ganz plötzlich flitze etwas vor an ihm vorbei
„Was war das denn?“, fragte sich der Lichtkönig.
Neugierig schaute er auf den Busch in dem das Flitzdings zurvor verschwunden ist. Da, ganz plötzlich, flitzte es wieder an einer ganz anderen Ecke. „Komisch, wie ist es denn da so schnell hin gekommen?“
Der Lichtkönig eilte dem Flitzdings hinterher, doch da war es schon wieder verschwunden.
Es flitze noch schneller als die Strochenfrau flattern konnte, war aber genau so befellt, wie die Wolfsfrau, hatte jedoch die Fellfarbe von der Bärin.
Und da war es auch schon wieder verschwunden.
Der Lichtkönig lief weiter in die Richtung, in der er das flitzige Etwas vermutete.
Die Eiben und das Dickicht des Waldes beachtete er dabei gar nicht mehr und rannte in Windeseile dem Wesen hinterher. So bemerkte der Lichtkönig gar nicht, dass der Wald sich lichtete und die Wege immer breiter wurden, bis er schließlich am Waldesrand angekommen war.
Erstaunt, wie eine Salzsäule blieb der Lichtkönig zwischen den Hütereiben am Waldesrand stehen und starrte auf die wunderschöne Weite der Wiesen vor ihm.
Sowas hatte er zuvor noch nie gesehen. Fast vielen ihm die Augen aus dem Kopf. Es war eine Farbenpracht, ein Meer aus Blumen und Sträuchen. Und dieser Duft, der ihm in die Nase stieg, betörte seine Sinne, dass der Lichtkönig fast alles um sich herum vergaß.
"Ganz schön beeindruckend, was?"
... mümmelte eine fiebsiege Stimme direkt neben ihm.
Erschrocken blickte der Lichtkönig um sich. Da stand das kleine Flitzdings doch direkt neben ihm.
Aber konnte er seinen Augen trauen? Wie sah dieses Wesen bloß aus?
Da war eine Besonderheit, die ihm sofort ins Auge fiel. Zwei, braune, fellige Ohren ragten spitz vom Kopf des Wesens nach oben. Und an seinem Hinterteil hatte es ein weißes, puscheliges Wollknäul kleben.
„Na, na, was starrst Du denn so, als hättest Du einen Geist gesehen. Noch nie einen Hoppelhasen gesehen? Ne? Stimmt, haste ja noch nicht. Na dann stell ich mich mal vor. Ich bin die Hexe Ostermond und ich symbolisiere den vierten Monat Deines Lebens, den April.
Werter Herr Lichtkönig herzlich willkommen, der Frühling ist im vollen Gange. Das wird eine wilde Achterbahnfahrt, das kann ich Dir schonmal verraten. Aber jetzt hör doch mal auf so zu starren. Du machst mich ganz nervös“, raunte der Hoppelhase und hoppelte zweimal im Zickzack hin und her.
Irritiert schüttelte sich der Lichtkönig und fand schließlich seine Sprache wieder.
„Oh verzeih, ich bin total verwirrt. Was für eine Wonne, was für ein Erleben hier am Waldesrand. Was erblicken meine Augen? Eine solche Farbenpracht und ein solches Sinnesspiel habe ich noch nie erlebt. Ich bin ganz überwältigt.“, staunte der Lichtkönig.
„Ja, das sagen sie alle. Aber warte mal ab, bis Du SIE triffst.“
„Wen soll ich treffen?“
„Wirst Du noch früh genug erfahren.“
Mit diesen Worten flitze der Hoppelhase Hexe Ostermond ein paar mal vor dem Lichtkönig hin und her, bis er schließlich auf einem Baumstumpf Platz nahm.
„Also lieber, junger Lichtkönig. Wie ich sehe spürst Du die Lebenslust und die Freude in jeder Zelle in Dir. Das ist völlig normal. Ich sprühe auch vor Begeisterung. Ich liebe diese Jahreszeit. Sie ist einfach die allerbeste Zeit, um jetzt Deine Träume und Wünsche in die Tat umzusetzen.“
Der Hoppelhase machte einen Salto direkt auf dem Baumstamm und ließ einen Freudeschrei los.
„Puh, also keiner versteht Dich gerade so gut wie ich. Du würdest am liebsten die ganze Welt umarmen. Richtig?
„Oh ja. Du hast es genau erfasst.“, rief der Lichtkönig.
„Aber was soll ich tun? Wo fang ich an? Warum? Warum war ich nochmal hier? Was sind das für ein betörende Gerüche?“
„Ach herrje“, kicherte Hexe Ostermond. „Du bist ja noch verrückter, als ich gedacht habe.“
Der Lichtkönig schaute verwirrt umher
Der Gerüch in seiner Nase ließ ihn nicht los. Da ganz plötzlich, nicht weit von ihm entfernt, entdeckte er etwas, das hatte er in seinem Leben noch nie gesehen. Wenn er noch irgendeine Beherrschung gehabt hätte, dann war sie spätestens jetzt futsch.
„Wow, was ist das denn für ein zauberhaftes Wesen?“
Kein klarer Gedanke war noch möglich. Der Lichtkönig hatte eine große, längliche Gestalt entdeckt, voller Eleganz, in einem gelben, langen, flatternden Kleid, welches aus Blütenblättern bestand. Eine hauchdünne, seidige Schleppe flatterte im Wind, i hre Haut so zart und ihr Haar, schimmrig gold.
Die Gestalt wanderte mit einem Korb voller Blumen über die Blumenwiese. Schließlich öffnete sie ihren aprikosenfarbenden Mund und sang eine Melodie mit einer Stimme so süß und zart, dass dem Lichtkönig sofort die Tränen in die Augen schossen.
„Ah, Du hast SIE also entdeckt.“, schmunzelte Hoppelhase Hexe Ostermond, neben ihm. „Na, dann bin ich wohl abgeschrieben.“
Er kicherte und hoppelte auf und ab, zerrte am Lichtkönig herum, bis dieser ganz langsam und wie in Trance seinen Blick zum Hoppelhasen richtete.
„Wer ist sie?“, konnte er nur noch stammeln.
„Mein lieber junger Lichtkönig. Das da ist die Göttin des Frühling, auch Ostara genannt. Sie ist dafür da, alles, was sie mit ihrer zauberhaften Hand berührt zum Erblühen zu bringen. Sie weckt in jedem Wesen die Lebenslust und ihre Stimme löst Verzückung und Extase aus.“
„Ich will zu ihr“, der Lichtkönig blickte wieder wie in Trance auf die Göttin Ostara, die fast schwebend in den Wiesen umher streifte.
„Ja, ja, jaaa! Ich weiß mein junger König. Und das sollst Du auch. Höre mir zu bevor Du gehst und die Liebe kennenlernst. Das was Du in diesem Moment für die Göttin Ostara empfindest, schließe einmal Deine Augen und stelle Dir vor, Du empfindest die gleiche Lust und Liebe für Dich selbst.
Nimm dazu diese 3 Fragen in Herz:
Wenn Du selbst die größte Liebe Deines Lebens bist, wie würdest Du dann Dein Leben gestalten?
Wie würdest gehen, sprechen, denken, Dich kleiden, wenn Du Hals über Kopf in Dich selbst verliebt wärst?
Welches Deiner vielen Gaben würdest Du aus tiefstem Herzen mit anderen Lebewesen teilen?“
Mit diesen Worten sprang Hoppelhase Hexe Ostermond vom Baumstamm, gab dem Lichtkönig einen kleinen Kicks mit ihren langen Hoppelfüßen und rief: „Nun aber los mein junger König. Entdecke die Liebe. Lauf, lauf, lauf, lauf! Zu deiner Geliebten. Hei Hei Hopsasa!“
Mit diesen beschwingenden Worten flitze die Hoppelhäsin wieder davon ins nächste Dickicht. Der junge Lichtkönig konnte gerade noch stammeln: „A-a-a-aber wie soll ich sie ansprechen?“
Als in diesem Moment die göttliche Schönheit ihr Haupt zu ihm wendete...
... und ihn mit ihren türkisblauen Augen anblitze.
Dem Lichtkönig blieb fast das Herz stehen, als sie ihre Hand ausstreckte und ihm zulächelte. Er merkte schon gar nicht, wie seine Beine sich bewegten. Es war so, als würde er auf sie zu schweben, bis er direkt vor ihr stand, vollkommen betört von ihrem Duft, vollkommen im Liebesrausch. Sie nahm ihn bei der Hand, lächelte erneut und zwinkerte ihm schelmisch zu.
Gemeinsam tanzten sie über die Wiesen und Felder und alles was sie beide berührten, jedes Stück Erde, jeden Baum, jeden Strauch, jeder Grashalm fing an, in den buntesten Farben zu Blühen und in betörenden Gerüchen zu duften.
So tanzten die Göttin Ostara und der junge Lichtkönig durch die Welt und hauchten durch ihre Liebe allem um sie herum Leben ein. Sie tanzten so lange, bis dem Lichtkönig ganz schwindelig wurde und er sich für einen Moment hinlegen wollte.
Gemeinsam mit seiner Liebsten unter einen schattigen Baum, glitt der Lichtkönig langsam wieder in einen traumlosen Schlaf hinüber, mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen.
Kleines Ritual zur vierten Rauhnacht:
Entzünde zu allen vorherigen Kerzen der vergangenen Rauhnächte eine vierte Kerzen und stelle sie auf Deinen Lichterteller, Lichteraltar oder Tablet.
Beobachte den Schein und nimm wahr, wie sich das Licht im Raum immer weiter ausbreitet und Du immer mehr vom Außen wahrnehmen kannst.
Schließe Deine Augen und fühle in Dich hinein, sodass Du auch von Deinem Inneren immer mehr wahrnehmen kannst.
Ostara ist die teutonische Göttin des Frühlings. Ihr Krafttier-Begleiter ist der Hase. Der Hase steht im Frühling für Fruchtbarkeit und das neue Leben.
Verbinde Dich beim Entzünden der Kerzen innerlich mit dem Hasen und der Energie der Göttin Ostara.
Setze Dich an Deine Kerze und meditiere über folgende Fragen:
Wenn Du selbst die größte Liebe Deines Lebens bist, wie würdest Du dann Dein Leben gestalten?
Wie würdest gehen, sprechen, denken, Dich kleiden, wenn Du Hals über Kopf in Dich selbst verliebt wärst?
Welches Deiner vielen Gaben würdest Du aus tiefstem Herzen mit anderen Lebewesen teilen?“
Schreibe Dir Deine Erkenntnisse auf.
Kleiner Tipp: Schreibe in Dein Rauhnachts-Tagebuch, welche Energie der Frühling für Dich bedeutet. Wie fühlt sich Dein Körper im Frühling? Wenn Du Dich in diese Energie begibst, möchtest Du vielleicht auch eine beschwingende Musik anmachen und dazu tanzen. Folge Deinen Impulsen.
Traumhaft ❤❤🧡🧡💚💚
Liebe Germaid,
ich finde das Märchen ganz bezaubernd. Es hat so eine Leichtigkeit damit durch die Rauhnächte zu gehen. Und deine Stimme dazu ist für mich ein Highlight. Damit machst du mir jeden Tag eine Freude. Vielen lieben Dank.
Liebe Germaid,
was für eine wunderschöne Idee, die Rauhnächte mit einem Märchen und den gestellten Fragen zu begehen. Und dazu noch so herzerwärmend vorgetragen. Ich freue mich jeden Morgen darauf. Ganz herzlichen Dank. Sei umarmt
Monika