"Mein liebes, kleines Kindelein...
... so zart und sanft und rein.
Sollst immer wohl behütet sein.
Mein Herz es hüllt Dich ein.“
Die große Mutter lächelte voller Liebe und Güte und sang mit tiefer, erdiger Stimme dem kleinen Lichtkönig in ihren Armen ein Schlaflied. Ihr Herz quoll über vor Verzückung und Mutterliebe. Welch innige Verbundenheit. Sie liebte diese Zeit, so ganz in der Ruhe, im Stillstand, tief unten im Erdenbauch, wohl wissend, dass die Eibenfrau und ihre Familie oben an der Oberfläche auf sie Acht geben würden.
Sie hatte alle Zeit der Welt zu ruhen und ihren jungen Sohn, den Lichtkönig zu nähren und zu lieben. Denn sie wusste auch, dass sich schon bald die Zeiten ändern würden. Dass es den jungen Lichtkönig in die Welt ziehen würde. Dass er größer und strahlender werden und das große Abenteuer auf ihn warten würde.
Doch noch war es nicht soweit. Noch lag er ihn ihren Armen. Seine Gesicht immer noch zerknautscht und faltig und seine Augen weiterhin fest verschlossen. Doch hinter den Liedern bewegten sich die Augäpfel schnell hin und her. Er erlebte bereits jetzt sein gesamtes Leben im Traum, bevor er es leben würde.
Die große Mutter wusste, dass er in diesen ersten 13 Nächten seines Lebens, den 13 Lehrmeisterinnen begegnen sollte, bevor er am Morgen nach der 13ten Nacht die Augen aufschlagen würde. So ist es immer gewesen und so wird es immer sein.
So erwartete in dieser zweiten Nacht den kleinen Lichtkönig sein zweiter Traum
„Uhhhaaaaa“, gähnte der kleine Lichtkönig und reckte und streckte sich. Der volle Mond schien über ihm und tauchte seine Umgebung in einen silbrigen Schein. Die Dunkelheit, die ihn umgab wich immer mehr und mehr und plötzlich tauchten hier und da neue Elemente auf, die der kleine Lichtkönig noch nicht kannte.
So nahm er eine weiße, glitzender Decke wahr, die so weit das Auge reichte den Boden bedeckte. Er nannte dieses weiße Zeug auf dem Boden "Schnee". Hier und da schauten kleine grüne Halme aus dieser Decke empor. Sie hatten ganz weiße Köpfchen, so klein und zart. Der Lichkönig nannte sie "Schneeglöckchen". Was für ein kleiner, feiner Name für diese zauberhaften Wesen.
Der Mondschein beleuchtete weiterhin große, urige, braune Riesen, die eine grobe, aufgeplatze, harte Haut hatten, sich einerweits in die weiße Decke gruben und andererseits nach oben empor wuchsen. Er konnte ihre volle Größe und Gestalt noch nicht erkennen, dafür war das Mondlicht noch zu schummerig. Aber er spürte ihre uralte, weise Energie und er nannte dieser Wesen "Bäume" .
„Witzig“, dachte der kleine Lichtkönig. „Ich entdecke diese neue Welt und kann mir einfach mir nichts dir nichts Namen und Begriffe ausdenken. Das macht Spaß und ist ganz leicht. Wie lustig, diese Welt doch ist.“
Zuhören und lauschen hatte die Wolfsfrau gesagt. Also hörte er dem Klingen der Schneeglöckchen zu, er vernahm die Stille der Schneedecke und lauschte dem Knarzen der Bäume.
„Uhhaa“, gähnte es aus der unmittelbaren Nähe.
„Momentchen mal“, dachte der Lichkönig bei sich. „Das Gähnen kam gar nicht von mir. Wer war das denn?“
„Uhhhaaa“, erklang es noch lauter und brummender. Da erblickte der Lichtkönig nicht weit von ihm, dass sich an einem der uralten Bäume die Schneedecke erhob. Als würde ein riesiger Berg aus dem Untergrund nach oben wachsen. Mit staunenden Augen starrte der Lichtkönig auf das neue Ereignis in seiner Welt.
„Uhhhaaaaa“, brach es durch die Schneedecke und zum Vorschein kam ein riesiges, ziemlich dickes Wesen mit dunkelbraunem Fell. Es war viel größer als die Wolfsfrau, hatte dabei gleichzeitig eine kürzere, doch recht große Schnauze. Und da auf dem Kopf, zwei niedliche, kleine, flauschige Ohren. Das Wesen richtete sich immer weiter auf und wow, was für riesige Pranken es doch an seinem Körper hatte.
„Ey, wer bist Du denn?“, rief der Lichtkönig in Richtung der Gestalt.
Da drehte sich das fellige Wesen langsam um. Es bewegte sich etwas stoffelig, als ob die Knochen müde und schwer wären.
„Ach, da kann der kleine Mann schon reden. Na das ist ja eine Überraschung. Sieh an. Sieh an.“
Die Gestalt tapste schwerfällig auf den kleinen Lichtkönig zu und ließ sich direkt vor im in den Schnee plumsen.
„Puhhaa, na sowas. Da bin ich mal wieder viel zu früh aufgewacht. So wie jedes Jahr. Das weiße Zeug ist noch da, aber mein Magen knurrt schon wieder so doll.“
Der Lichtkönig beobachtete das Wesen fasziniert.
„Ach, aber wo sind bloß meine Manieren. Darf ich vorstellen, ich bin die Hexe Hornung. Zugegeben besonders energiegeladen sehe ich noch nicht aus, ich weiß. Im Winter verwandele ich mich immer in eine Bärin und lasse mir ein dickes, warmes Fell und eine ordentlich Fettschicht wachsen. Zugegeben, ich hab schon massig abgenommen. Ich bin ja nur noch Haut und Knochen“, rief Hexe Hornung empört und schüttelte mit ihren Tatzen ihre Wampe.
„Oh“, sagte der Lichtkönig. „Dafür siehst Du aber recht rundlich aus.“
„Ach, das ist ja noch gar nichts kleiner Lichtkönig. Du solltest mich mal im November sehen.“
„Was ist ein November?“, fragte der Lichtkönig verdutzt.
„Ich Tropf“, brummte die Bärin. „Nein, nein vergiss das mal ganz schnell. Wir zwei reden nun erst einmal über den zweiten Monat Deines Lebens. Hornung oder auch Februar genannt. Es ist die Zeit, in der Du schonmal die Weichen stellen darfst. Der Winter ist noch nicht ganz vorrüber. Eigentlich ist noch Schlafenszeit. Ich bin auch noch bärenmüde. Aber ich schweife ab. In dieser Zeit nehmen Deine Ahnungen erste Gestalt an. Hast Du Dir denn Gedanken gemacht über die Fragen, die meine Freundin die Wolfsfrau Dir gestellt hat?“
„Ja, ja und wie!“, antwortete der Lichtkönig. „Ich kann es kaum erwarten noch mehr zu entdecken von dieser neuen Welt.“
„Gemach, gemach“, sprach Hexe Hornung. „Ich bin ja nur aus meiner Höhle gekrabelt, um zu gucken, ob schon Frühling ist. Ach was red ich. Den Frühling kennst Du ja auch noch nicht. Nun denn, lass Dir eins sagen. Noch ist Zeit zu ruhen, aber recke Dein Köpfchen schonmal dem Himmel entgegen. Diese Zeit ist wunderbar um die frische Luft des Nordwinds zu erschnüffeln. Der bringt meistens Veränderung mit sich. Der Nordwind will, dass Du Deine Wahrheit lebst und nicht länger in Träumen verharrst. Schau schon die ersten Blümchen recken ihre Köpfe in den Wind.
Mach Du es genauso und treffe in dieser Zeit erste Entscheidungen für Deine neue Reise. Lass mich Dir hierfür 3 Fragen mitgeben:
Welche Entscheidung ist jetzt in Deinem Leben dran?
Was ist das Neue, welches Du ab jetzt in Empfang nehmen willst?
Und wie kannst Du die ersten Weichen stellen, um diese Veränderung zuzulassen?“
Der kleine Lichtkönig guckte noch etwas verdutzt.
„Ja und wie soll ich das machen?“, fragte er.
„Achso, ja klar“, brummte die Bärin Hexe Hornung. „Na klar, das machst Du, in dem Du nicht mehr nur lauschst, sondern in Dich hineinfühlst. Wie fühlt sich die Sehnsucht nach Leben in Dir an? Wie fühlt es sich um Dich herum an? Die kleinen Blümelein, die hornigen Stämme der Bäume? Gehe los junger König und mache Deine ersten Erfahrungen.
Spüre was diese Welt mit Dir macht. Große Sprünge sind auch jetzt noch nicht dran. Du siehst ja wie steif meine Knochen geworden sind, nach dem langen Winterschlaf. Aber es ist Zeit sich langsam aber sicher voran zu bewegen und zu spüren - den Wind auf Deiner Haut, den Schnee in Deinen Händen, den Herzschlag in Deiner Brust. Wofür will es schlagen auf dieser Reise?“
Mit staunendem Gesicht entdeckte der kleine Lichtkönig nun die Welt des Gespürs, er nahm immer mehr seinen Körper wahr und die Visionen aus dem ersten Monat nahmen immer weiter Gestalt an.
„So mein liebes Kind, nun ist es Zeit, mich von Dir zu verabschieden. Ich bin wirklich noch viel zu müde und mach nochmal die Augen zu. Die Menschen feiern gerade mal Imbolc. Das heißt, das erste Lichtlein erstrahlt erneut. Für mich heißt Imbolc jedoch „Im Bauch“ und genau dahin gehe ich nun erst nochmal zurück.
Ich krabbele wieder in meine Höhle und schlafe noch ein paar Stündchen. Meine Fettschicht wird schon noch reichen. So nimm auch Du Dir immer wieder die Zeit, Dich zu verkriechen und einzukuscheln, doch wisse, gleichzeitig darfst Du die ersten Weichen stellen und die ersten Entscheidungen treffen für Deine Vision auf dieser Reise. Uhhhaaaaa!“, raunte die Hexe Hornung, bevor sie ihren bärigen Körper wieder schwerfällig in Bewegung setzte und in die Richtung ihrer Bärenhöhe tapste.
Mit einem müden Stöhnen krabbelte sie wieder in das Loch am Baum und verschwand in der Erde. Da raschelte es oberhalb des Baumstamms und eine Menge neuen Schnees rieselte auf den Boden und bedeckte den Eingang von Hexe Hornungs Höhle.
„Ohhh, da geht es ja noch weiter“, staunte der kleine Lichtkönig und schaute den Baumstamm empor. Das Licht wurde immer heller und so konnte er die Baumkrone erblicken, ein weites, rauschiges Blätterdach, welches sich weit empor streckte.
„Das will ich mir aus der Nähe ansehen“, und der kleine Lichtkönig kletterte den holzigen Stamm empor. Er began Erfahrungen zu machen und fühlen, was es bedeutete zu leben.
Mit einem Lächeln auf den Lippen nahm der Lichtkönig die drei Fragen der Bärin Hexe Hornung mit hinauf in die Baumkrone. Das war alles ganz schön aufregend, deshalb kugelte sich das Kind in eine Astgabel und glitt langsam hinüber in einen traumlosen Schlaf.
Kleines Ritual zur zweiten Rauhnacht:
Entzünde nun zwei Kerzen, eine für die erste und eine für die zweite Rauhnacht und stelle die Kerzen auf einen großen Teller oder ein Tablet.
Du kannst jeden Tag eine weitere Kerze dazu anzünden, als Zeichen dafür, dass das Licht ab jetzt immer weiter zunimmt.
Hornung ist der alt-germanische Name für Februar. Wenn der Bär im Februar das erste Mal aus seiner Höhle schaute, feierten die Menschen "Imbolc" (Heißt auch: "Im Bauch" / Das Licht ist noch nicht ganz aus dem Erdenbauch herausgekommen. Das erste kleine Licht wird gefeiert.)
Verbinde Dich beim Entzünden innerlich mit der Bärin.
Setze Dich an Deine Kerze und meditiere über folgende Fragen:
Welche Entscheidung ist jetzt in Deinem Leben dran?
Was ist das Neue, welches Du ab jetzt in Empfang nehmen willst?
Wie kannst Du die ersten Weichen stellen, um diese Veränderung zuzulassen?
Schreibe Dir Deine Erkenntnisse auf.
Kleiner Tipp: Führe Dein Rauhnachts-Tagebuch fort. Halte fest, welche Energie, Du in einem jeden Monat wahrnimmst.
Jetzt
Immer Jetzt
Heiligen Augenblick
💚feiern
Ich bin so dankbar für deine Rauhnächte- Begleitung
Unbeschreiblich ♡ schön deine Wortfindung
Segen dir ,mir und uns allen für das Tieftauchen,Auftauchen, um hier wiederum die Zukunft aus schöpferischen Händen zu erhalten 🥰
Danke danke danke…..
Wunderschön, dein Märchen liebe Germaid Charlotte! Danke sehr dafür.